Wenn man bedenkt, dass O-Sensei Morihei Ueshiba eine  heute weltweit verbreitete Budo-Kampfkunst erschaffen hat, fällt auf, wie wenige von ihm selbst verfasste Dokumente überliefert sind. Das Buch ‚Budo‘ gehört dazu. Ein Grund für diesen Umstand bestand zweifellos darin, dass O-Sensei sein Aikido als etwas Nicht-Statisches dachte, dass nicht eingefroren und konserviert werden könne, sondern etwas, dass beständig neu erfunden wird. Ein weiterer Grund besteht sicherlich darin, dass in den traditionellen Kampfkünsten eine gewisse Grundskepsis gegenüber dem Wort herrscht; dies offenbart sich in der Redewendung ‚I-shin den shin‘, „von Herz zu Herz“ oder „von Geist zu Geist“, der üblichen Methode, wie die Techniken vom Meister an den Schüler übergehen.

Gleichwohl hat O-Sensei 1938 für einen engen Schülerkreis das vorliegende Buch veröffentlicht. Es sind nur einige hundert Exemplare gedruckt worden und so kam es, dass selbst Morihiro Saito, einer der engsten Schüler von O-Sensei, erst 1981 von dem Buch erfuhr, nachdem Stanley Pranin ihn darauf aufmerksam machte. In den folgenden Jahren benutzte Saito-sensei dieses Buch immer wieder, um die Authentizität seines persönlichen Stils des Aikido zu belegen.

Die bei Kristkeitz erschienene Ausgabe nennt Morihei Ueshiba als Autoren diese Buches, doch haben noch viele weitere Personen zu dieser Ausgabe beigetragen. Der erste Teil besteht aus einer kurzen Biographie des Begründers verfasst von Kisshomaru Ueshiba, dem Sohn des Begründers (Seite 7 bis 25). Er ist mit vielen SW-Fotographien ausgestattet und ist wegen der Kürze und der Bilder nicht besonders gründlich, reicht jedoch für einen guten Eindruck von O-Senseis Leben. Ergänzend sei die Biographie „Unendlicher Friede“ von John Stevens empfohlen. Dieser John Stevens war auch an der Herstellung der amerikanischen Ausgabe beteiligt, obwohl sein Name nicht im Impressum steht; jedoch befindet sich eine Vorbemerkung von ihm am Anfang des zweiten Teils des Buches, dem eigentlichen Nachdruck des Buches ‚Budo‘.

Dieser Teil besteht im Wesentlichen aus esoterischen Erläuterungen des Weges und aus Doka, Lehrgedichten, von denen ich hier ein Beispiel liefere, um die Art der Gedichte zu verdeutlichen:

Kristallklar scharf und hell erlaubt das Heilige Schwert dem Bösen keine Ruhestätte.

So sprach O-Sensei auch. Er war nach seinem eigenen Verständnis das Gefäß der Aiki-Kami, der Götter des Aiki. Sein Leben war eher eine Pilgerreise und er befasste sich wenig mit den Dingen der profanen Welt.

Darauf folgt der technische Teil, der eher dem entspricht, was wir heutzutage von einem Lehrbuch erwarten würden. Es werden verschiedene Techniken beschrieben und mit Fotos illustriert. Waffenlose Grundübungen bilden das Fundament; doch die vielen Messertechniken, Schwerttechniken, Speer- und Bajonetttechniken, zeigen, dass die Waffen keine Bürger zweiter Klasse im Aikido sind.

Es ist noch anzumerken, dass die Anweisungen in etwa so lauten: „Fülle dich mit Ki und führe die rechte Hand des Angreifers.“ Diese Beschreibung ist nicht besonders hilfreich und somit stellen die zahlreichen Fotos in diesem Abschnitt das nützlichere Material dar.

Im dritten Teil (Seite 77–135) sind noch einmal Fotostrecken aus der berühmten Noma-Serie abgedruckt, aufgenommen 1936 im Privat-Dojo von Noma Seiji, dem damaligen Präsidenten des Kodansha-Verlagshauses. Teilweise sind diesen Fotos noch Fotos aus Wakayama gegenübergestellt, die zeigen sollen, wie sich O-Senseis Aikido vor und nach dem Krieg unterscheiden oder auch gleichen.

Dieses Buch ist zweifellos nicht für Anfänger geeignet und auch nicht zum Erlernen des Aikido. Es handelt sich eher um ein zeitgeschichtliches Dokument. Es ist stets zu beachten, dass hier ein obskures Thema vom Japanischen ins Englische und dann ins Deutsche übertragen wurde. Auch bei aller Gewissenhaftigkeit des deutschen Übersetzers Markus Wiese kann es nicht ausbleiben, dass sich Fehler und Ungenauigkeiten einschleichen. Zu diesem Thema empfehle ich Umberto Ecos ‚Quasi dasselbe mit anderen Worten‘.

Fazit: Läuft außer Konkurrenz. Kann für den ernsthaften und fortgeschrittenen Aikidoka inspirierend sein, kann aber auch irritieren.