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O-Sensei mit Gerd Wischnewski

Meister Gerd Wischnewski war zweifellos einer der einflussreichsten Aikido-Lehrer Deutschlands. Er hatte Anfang der 60er Jahre seine Firma verkauft, um sich in Japan dem Studium der Kampfkünste zu widmen. In Tokyo, Nagoya und Yokkaichi erhielt er dann Unterricht im Karate, Judo, Aikido und Kendo, unter anderem von dem bekannten Karate-Meister Nakayama (Gründer der JKA), am Kodokan und natürlich auch von O-sensei Morihei Ueshiba.Tatsächlich dürfte sein Unterricht größtenteils von Kisshomaru Ueshiba und Koichi Tohei bestritten worden sein, ersterer hatte damals schon die Leitung des Honbu-Dojos von O-Sensei übernommen, der vorwiegend in Iwama lebte, letzterer war Shihan-Bucho, der „Lehrer der Lehrer“.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland ca. November 1965 begann Gerd Wischnewski Aikido und Kendo zu unterrichten. Statt ein eigenes Dojo zu begründen, reiste er in Deutschland umher und leitete Lehrgänge.Er wurde Technischer Leiter der Sektion Aikido im Deutschen Judo Bund, dem Vorläufer des DAB, der erst 1977 gegründet wurde. Ab 1968 war Gerd auch der verehrte Meister unseres Vereinsgründers Klaus Liermann, der ihm stets zu allen seinen Lehrgängen hinterherreiste.

kote-hineri

Kote-hineri

In dem hier nun vorliegenden Buch, dass 1968 im Falken-Verlag erschien, präsentierte Wischnewski erstmals ein Buch, dass exklusiv in deutscher Sprache dem Aikido gewidmet war. (Exklusiv deshalb, weil Wischnewski auch in einem Band des Deutschen Dan-Kollegiums ein längeres Kapitel über Aikido beigetragen hatte.) Das Buch ist natürlich längst vergriffen, doch kann gelegentlich antiquarisch oder bei Ebay gefunden werden. Es hat 132 Seiten, ist im Format A5 und hat zahlreiche SW-Abbildungen, die meisten davon Fotos. Gefolgt von einem Geleitwort des DDK-Vorsitzenden Hans Wittmeier und einem von Max Depke, dem Leiter des Deutschen Judo Bundes, schreibt Wischnewski ein Interview mit sich selbst, zum Beispiel mit der Frage: „Wie sind Sie im Training mit den japanischen Sportkameraden zurechtgekommen?“

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Tenchi nage

Vier Seiten nimmt die Erklärung „Was ist Aikido“ mit diversen Unterkapiteln zum Thema Ki, Sport oder Selbstverteidigung, Geist und Weg, Geschichte von O-Sensei und die Nutzeffekte des Aikido ein. Darauf folgt ein Kapitel mit Grundlagen. Kamae, Maai, Hanmi, Nage und Uke, Hakama, Tegatana, Ukemi, Kokyu-ho, Hara, Sabaki, Irimi und Tenkan und weitere Begriffe werden eingeführt. In den folgenden Kapiteln werden die folgenden Techniken in einigem Detail besprochen: Ude-osae, Kote-mawashi, Kote-hineri, Tekubi-osae im Kapitel Katame-waza und Shiho-nage, Irimi-nage, Kaiten-nage und Kote-gaeshi im Kapitel Nage-waza. Es werden diese Würfe als Techniken für Fortgeschrittene angekündigt, Koshi-nage, Tenchi-nage, Juji-garami und Aiki-otoshi, für deren Behandlung auf einen Folgeband verwiesen wird, der aber nie erschien.

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Übersicht der Techniken

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Prüfungsprogramm zum weißen Gürtel

Anfang der 1970er Jahre zog sich Wischnewski aus der Öffentlichkeit zurück. Manche Quellen nennen gesundheitliche Gründe, andere berichten, dass Gerd vom Verhalten mancher seiner Schüler enttäuscht gewesen sei. Wir werden die Wahrheit vermutlich nie erfahren. Dieses Buch ist für Aikidoka ein zeitgeschichtliches Dokument. Urteil: Muss man haben. Interessant und auch ein wenig ulkig ist der zum Teil angestaubte, aber wegen seiner Ernsthaftigkeit wiederum liebenswürdige Schreibstil. Dort ist zum Beispiel von Exerzitien die Rede; oder vor dem Kapitel mit den Grundtechniken lädt Gerd uns ein: „Folgen Sie mir nun bitte zu den Grundtechniken.“